philosophische Landschaften

Fotografie ist eine visuelle Redigiermethode.
Im Grunde geht es darum, einen Ausschnitt aus dem eigenen Gesichtsfeld einzugrenzen,
während man zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle steht.

John Swarkowski


Die Fotografie ist ein Hilfsmittel zur Auseinandersetzung mit Dingen,
von denen jeder weiß, ohne sich damit zu befassen.

Emmet Gowin


Die Kamera ist mein Werkzeug.
Mit ihrer Hilfe mache ich alles um mich herum sinnvoll.

André Kertész



fotoGALERIE

FOTOS SIND eine besondere Art der BILDSPRACHE, die (wie jede andere Sprache auch) ihre eigenen Kategorien, Elemente, ihre eigene codifizierte Textur (in Zeichen, Grammatik, Bedeutung, Aussage etc.) hat.
Sie sind bildsprechende Dokumente subjektiver Sichtweisen und Erlebnisse, die verschiedenen Menschen Verschiedenes bedeuten, die verschiedenartig decodiert werden.

FOTOS SIND zweidimensionierte RAUMGEBILDE. Sie sind flach, flächenhaft, Gegenstände in verschiedener Entfernung wirken wie auf einem flachen Hintergrund übereinandergeklebte Papierschnitte. Sie haben keine Tiefe. Sie kann fotografisch nicht direkt wiedergegeben werden, sondern nur durch Tiefensymbole (wie Licht und Schatten, Perspektive, Konvergenz, Verkürzung u. a.) angedeutet werden. Fotos sind keine Reproduktion von Wirklichkeit, denn ihnen fehlen viele der wesentlichsten Eigenschaften des Originals[1]: Tiefe, Dreidimensionalität, Bewegung, Lebendigkeit.
Aber nicht nur das: Wir wissen, daß es das Auge ist, das die Welt eigentlich erst erschafft, indem es die Dinge zur »Anschauung« zusammenfügt. Was wir z. B. als »Landschaft« wahrnehmen, d. h. als ein Phänomen von bestimmter Gestaltqualität, ist ja nichts objektiv Vorhandenes; es ist ein Gebilde des Augenblicks, des Sehwinkels, der Stimmung und der Phantasie […]. Im Anblicken gelangt etwas »zur Erscheinung«, was weder völlig in die Sphäre des Objekts noch in die des Subjekts gehört, aber eben jene Form der Vermittlung zwischen beiden darstellt, auf der unsere Beziehungen zur Welt wesentlich gegründet sind. […] Dem, was das Foto zeigt, kommt daher nicht Wahrheit im höheren Sinne zu, aber Authentizität. Es macht dabei sichtbar, was die »Ansicht« eines einzelnen gewesen ist; es bleibt subjektiv. Und da es nur sichtbar machen kann, was an »Bedeutung«, Stimmung, Symbolik, Hintergründigkeit optischen Ausdruck zu gewinnen fähig ist, bleibt es in seiner Anschaulichkeit vieldeutig.[2]
(Auch wenn neueste Forschungen der Kognitions- und Neurowissenschaften ergeben haben, dass es nicht allein das Auge ist, das die Welt eigentlich erst erschafft, sondern dieses lediglich vielfältige optische Informationen liefert, die dann unser Gehirn in einem äußerst komplizierten und überaus komplexen neuronalen Prozess zu Wahrnehmungs- und letztlich Erkenntisdaten zusammenfügt, so sind die Aussagen Solfs, die offenkundig auf einige Begriffe Kants zurückgreifen, im Grundsatz nach wie vor zutreffend.)

FOTOS haben noch eine weitere Dimension. Sie DIENEN der ILLUSTRATION und ERÖFFNEN vielfältigste ASSOZIATIONEN. Sie stehen mal in direktem, mal in indirektem, mal in unmittelbarem, mal in mittelbarem Zusammenhang mit den »philosophischen Landschaften«. Dabei mögen sie auf den ersten Blick frei von äußerer Logik erscheinen.
Aber: Dieses logische Vakuum ist erforderlich, damit der Betrachter es mit seiner eigenen Logik ausfüllen und das Werk auf diese Weise tatsächlich vor den Augen des Betrachters Gestalt annehmen kann. So wird es zum unmittelbaren Spiegelbild seines Bewußtseins, seiner Logik, seiner Moral und seines Geschmacks.[3]

Alle genannten Faktoren zusammen haben mich dazu gebracht, Fotos nicht nur in Texte (in meine Texte) einzubinden, sondern auch eine »fotoGALERIE« mit ausnahmslos selbst geknipsten Fotos aufzumachen, in denen ich (als dilettierender[4] Amateur) eine Synthese aus »Kunst« und »Technik« anzustreben versuche – »Kunst« meint in diesem Zusammenhang (entsprechend Feininger) die ungreifbaren Elemente (Ideen, Begriffe, Gesichtspunkte, Vorstellung und »Sehen« – die gestalterischen Aspekte) und »Technik« die zur physischen Ausführung […] erforderlichen konkreten Mittel und Methoden[5].



[1] aus: Andreas Feininger, Richtig sehen – besser fotografieren / Düsseldorf, Wien (1977) 1979 / S. 14, 22, 89f
[2] aus: Kurt Dieter Solf, Fotografie – Grundlagen. Technik. Praxis / Frankfurt a. M. (1971) 1973 / S. 12
[3] Les Levine, Camera Art (1975) in: Susan Sontag, Über Fotografie / Frankfurt a. M. (1980) 17. Aufl. 2006 / S. 182
[4] vgl. dazu meine Ausführungen mit dem Titel »Dilettantisches zum Dilettanten (und zum Dilettantismus)« unter der Rubrik »hohlSPIEGEL«
[5] aus: Andreas Feininger, Richtig sehen – besser fotografieren / Düsseldorf, Wien (1977) 1979 / S. 131






[ergänzt: 01.02.2015]





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